HEIKE MATTHIESEN (27. 06. 1964 - 22. 12. 2023)
Abseits ausgetretener Pfade erlebte man kürzlich die Weltklasse-Gitarristin Heike Matthiesen im vollbesetzten Domchorsaal des Salzburger Kardinal-Schwarzenberg-Hauses. Auf Anregung der
Maria-Anna-Mozart-Gesellschaft präsentierte sie zum allerersten Mal ein reines Komponistinnen-Programm der Klassischen Gitarre: „Ich habe mich so gefreut, dieses besondere Programm zu erarbeiten
und zu spielen.. und ich habe mal kurz meine Zukunftsplanung umgeworfen und werde im Januar im Studio sein und eine reine Komponistinnen-CD mit einigen Stücken des heutigen Abends
aufnehmen…“
Unter dem Motto GUITAR LADIES brachte Heike Matthiesen Stücke von Gitarrenvirtuosinnen aus drei Jahrhunderten zu Gehör und erläuterte zwischen den verschiedenen Blöcken deren Lebensumstände und
die Entstehungsgeschichten ihrer Werke. Als Einleitung spielte sie zwei exklusiv erhaltene Tanzstücke einer Komponistin, von der außer dem Namen, Julia Pinton, nichts weiter bekannt ist.
Wesentlich mehr weiß man heute von der deutschen Gitarristin und Komponistin des neunzehnten Jahrhunderts, Catharina Josepha Pelzer, die seit ihrer Jugend in England lebte und schon als Kind mit
ihrem Gitarrenspiel Aufsehen erregte. Nach ihrer Heirat komponierte sie unter dem Namen Madame Sidney Pratten rund zweihundert Gitarrenstücke, aus denen Heike Matthiesen mit sicherem Gespür die
ausdrucksstarken Songs Without Words ins Programm nahm. Die weitere Auswahl des Abends umfasste bis zur Pause Kompositionen von Luise Walker, Ida Presti und Tatiana Stachak aus dem
zwanzigsten Jahrhundert. Diese Stücke wurden von Heike Matthiesen ebenso wie die der älteren Komponistinnen mit technischer Brillanz und tiefempfundenem Ausdruck vorgetragen. Überhaupt gelang es
der Künstlerin, das Publikum ab den ersten Takten in den Bann zu ziehen und über das gesamte Programm hinweg mit ihrem höchst kunstvollen Spiel zu unterhalten. Sie stützte sich dabei auf kein
einziges wohlbekanntes Highlight des üblichen Gitarrenrepertoires, höchstens die Kleine Romanze aus der Feder Luise Walkers, der zu ihrer Zeit bedeutendsten österreichischen Gitarristin,
konnte einigen Zuhörern bekannt gewesen sein.
In einer ihrer unterhaltsamen Zwischenbemerkungen berichtete Heike Matthiesen, dass noch längst nicht alle Noten der Gitarren-Komponistinnen allgemein zugänglich seien. Erst nach und nach kämen
die Editionen auch älterer Frauen-Werke heraus, welche sie selbst stets ungeduldig erwartete. Sie sei aber im Besitz einiger ihr persönlich gewidmeter und noch nicht gedruckter Kompositionen, und
so durfte das anwesende Publikum nach der Pause auch die österreichische Erstaufführung zweier kleiner Stücke miterleben, die ihr die in England lebende Komponistin Maria Linnemann zugeeignet
hatte. Maßvoll, zart und in einem ruhigen Spielfluss trug Heike Matthiesen diese ihr besonders am Herzen liegenden Two Elegic Pieces vor. Auch mit der übrigen Auswahl im zweiten Teil des
Abends bewies die Künstlerin Sinn für Ausgewogenheit, indem sie einen farbenreichen Kosmos aus Melancholie, Heiterkeit, Trauer und tänzerisch-beschwingter Lebensfreude präsentierte, der die
Konzentration der aufmerksam lauschenden Zuhörer bis zum Schluss andauern ließ. Außer den melancholischen Kompositionen von Maria Linnemann hatte Heike Matthiesen ein besonders eindringliches
Stück der 1954 geborenen Tschechin Sylvie Bodorova mit dem Titel Elegie sowie die einzige Gitarrenkomposition Serenade der in Deutschland lebenden Russin Sofia Gubaidulina
einstudiert. Den Abschluss bildeten fünf beschwingte Tanzlieder von Carmen Guzman, einer kürzlich in hohem Alter verstorbenen argentinischen Tango-Sängerin und Gitarristin. Das
begeisterte Publikum spendete einen lang anhaltenden Applaus und erhielt als Zugabe eine Wiederholung der Two Elegic Pieces von Maria Linnemann. (Ilona Pichler, 25. 06.
2013)