Miriam Beier (Salzburg):
Anna Maria Mozart, geb. Pertl –Kulturhistorische Überlegungen zur Rolle von Frauen in Musikerfamilien des 18. Jahrhunderts
Anna Maria Mozart, geb. Pertl, ist dasjenige Mitglied der berühmten und viel erforschten Musikerfamilie Mozart, das von der Musikgeschichtsschreibung bisher am wenigsten beachtet wurde, da sie nicht selbst als ausübende Musikerin in Erscheinung getreten ist. Die Mutter der beiden „Wunderkinder“ Maria Anna und Wolfgang Amadé hat aber u.a. als Reisebegleiterin an der Mobilität des europäischen Musikbetriebs teilgenommen, ihr musikkulturelles Wissen als Korrespondenzpartnerin ihres Mannes gezeigt und wurde von ihm in seiner Abwesenheit mit Angelegenheiten zum Vertrieb seiner Violinschule betraut. Mit der Ausweitung des Forschungsinteresses etwa im Rahmen des cultural turnwerden nun allmählich sowohl die Vielfalt musikkulturellen Handelns, das sich nicht allein auf die konkrete Musikausübung erstreckt, als auch geschlechterspezifische Praktiken in den Blick genommen.
Anlässlich des Symposiums zu Anna Maria Mozart, geb. Pertl, sollen in diesem Vortrag die Rollen und das kulturelle Handeln von Frauen in Musikerfamilien des 18. Jahrhunderts exemplarisch beleuchtet werden. Da systematische Forschungen hierzu bisher fehlen, liegt eine Untersuchung der Fragestellung anhand einzelner Beispiele nahe. Zunächst richtet sich der Fokus auf die Frauen der mit den Mozarts über Wolfgang Amadé verbundenen Musikerfamilie Weber, dann auf Anna Magdalena Bach und ihre Rolle innerhalb des Musikbetriebs ihres Mannes. Da Frauen, die in Musikerfamilie hineingeboren wurden, häufig eine profunde Musikausbildung erhielten und sich ihnen insbesondere als Sängerinnen im italienischen Opernbetrieb hierdurch Auftritts- und Verdienstmöglichkeiten boten, sollen in weiteren Beispielen auch solche Interpretinnen berücksichtigt werden. Ein besondere Schwerpunkt liegt hier auf der Sängerin Marianne Pirker, deren Erziehung und Ausbildung der eigenen Töchter durch eine für Sängerinnen des 18. Jahrhunderts singuläre Quelle nachvollzogen werden kann: den überlieferten Teil ihrer eigenhändigen Korrespondenz.
Wolfgang Neuper (Salzburg)
Das Erzstift Salzburg und St. Gilgen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
Jeder Mensch hat eigene Vorstellungen, wenn er an unterschiedliche Epochen, an die Vergangenheit oder an Orte und deren Geschichte denkt. Anna Maria Walburga Pertl wurde am 25. Dezember 1720 in St. Gilgen geboren und getauft. Sie war die Tochter der Euphrosina Altmann und des Pflegers von Hüttenstein-St. Gilgen Nicolaus Pertl, ein für die Regionalverwaltung des Erzstifts Salzburg wichtiger Beamter. Der Vortrag soll ein Bild der Welt skizzieren, in die Anna Maria geboren wurde, und zeigen, welche Gegebenheiten im frühneuzeitlichen Aberseeland vorherrschten. Dabei stehen neben den rechtlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen im Erzstift Salzburg und in St. Gilgen auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Region um den Wolfgangsee im frühen 18. Jahrhundert im Fokus.
Ulrich Leisinger (Salzburg)
Anna Magdalena Bach und Anna Maria Mozart – ein Vergleich
Bis weit ins 19., wenn nicht sogar 20. Jahrhundert werden die Mütter bedeutender Musikerinnen und Musiker und damit insbesondere auch ihre Rolle bei der Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder kaum greifbar. Das früh einsetzende und bis heute anhaltende Interesse an den männlichen Mitgliedern der Familien Mozart und Bach hat dazu geführt, dass für Anna Maria Mozart (1720–1778) und Anna Magdalena Bach (1700–1760) überdurchschnittlich viele, gleichwohl noch immer sehr bescheidene dokumentarische Belege vorliegen. Anna Magdalena Bach und Anna Maria Mozart stammen aus gänzlich unterschiedlichen Kulturkreisen und sind altersmäßig fast eine Generation voneinander entfernt. Zur Bewertung der Persönlichkeit Anna Maria Mozart sind daher auch Seitenblicke auf weitere Ehefrauen und Mütter aus der Bach-Familie hilfreich.
Eva Neumayr (Salzburg)
Fiktion und Fakten: Maria Anna Mozart in den Biographien ihres Sohnes
Als „tüchtige Arbeitsfrau“, „glänzende Hausmutter“, „warmherzig, gemütvoll, unbedeutend“ sehen sie die Biographen ihres Sohnes und bescheinigen ihr, dass sie „vielleicht die Musikalische Uranlage der Alpenbewohner“ mitbekommen hätte: Es gibt wenige Figuren in den Mozartbiographien, die so klischeehaft beschrieben sind.
Der Vortrag zeigt anhand verschiedener Zitate aus Biographien Wolfgang Amadé Mozarts auf, wie viel man anhand der Beschreibung von Anna Maria Mozart über die Zeit, in der die Biographie geschrieben wurde, die geistige Verfassung des Autors etc. und wie wenig man über die Mutter Mozarts als eigenständige Person erfährt. Anhand von Dokumenten und dem geschichtlichen Kontext wird versucht, manche der fiktionalen Positionen durch Fakten aufzuweichen.
Käthe Springer Dissmann (Wien)
Frau Mozart auf Reisen
Die Reisetätigkeit von Anna Maria Mozart, geb. Pertl, zwischen 1724 und 1778
In Anbetracht der Tatsache, dass die Reisetätigkeit der Familie Mozart meist ausschließlich aus dem Blickwinkel Leopold Mozarts und seinen Sohnes Wolfgang Amadé betrachtet wird, soll in dieser Arbeit die Rolle seiner Frau Anna Maria bei den zahlreichen Fahrten der Familie im Zentrum stehen.
Zwei entscheidende Reisen, am Anfang und am Ende ihres Lebens, unternahm die „Mozartin“ (1720-1778), wie sie damals genannt wurde, freilich ohne ihren versierten Gatten. Die erste Fahrt führte die damals noch junge, ledige Anna Maria aus ihrem Heimatort St. Gilgen am Wolfgangsee (damals Abersee, Sbg.) in die Stadt Salzburg, wohin ihre eben verwitwete Mutter, die nunmehr mittellose Eva Rosina Barbara Pertl, mit ihren beiden Töchtern ziehen musste. Auf ihrer letzten Reise begleitete Anna Maria Mozart 1777-1778 ihren Sohn nach Paris.
Dazwischen lagen viele Jahre des Unterwegsseins mit der Familie: nach München, Wien, Pressburg, durch Westeuropa oder auch zur Kur nach Gastein. Leider sind ihre Reisebriefe – mit Ausnahme jener während der Paris-Reise – nicht erhalten. Dennoch lässt sich aus den Briefen Leopold Mozarts und der späteren Korrespondenz zwischen den Eheleuten die aktive und interessierte Teilnahme seiner Frau ersehen. Wie ihre Familie, so geht daraus hervor, schätzte auch Frau Mozart das Reisen – trotz aller Strapazen und Mühen, die das Unterwegssein zu jener Zeit bedeutete. Doch scheint sie die Widrigkeiten mit Humor genommen zu haben und gewann dem Reisen vorwiegend positive Seiten ab. Sie hatte Freude an der Natur, an Landschaften und Gärten, der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten und Kunstwerken, an interessanten Begegnungen und neuen Eindrücken. Bemerkenswert auch, wie Anna Maria ohne Fremdsprachenkenntnisse den Alltag der reisenden Familie bewältigte, mit Reiseführern, Karten und Stadtplänen umging und sich in den Schlössern des Adels wie auch an den glanzvollsten Höfen ihrer Zeit offenbar problemlos zu bewegen wusste.
Ganz offensichtlich teilte sie mit ihrem Mann die Auffassung jener Zeit, dass Reisen nicht nur professionellen Zwecken, sondern stets auch der Bildung und Persönlichkeitsentwicklung zu dienen hatte. In diesem Zusammenhang soll ein Exkurs über das emanzipatorische Reiseverständnis, die technischen Reisemöglichkeiten und die Reisekultur in der Epoche der Aufklärung den historischen Kontext erhellen, der die Reisetätigkeit der Mozarts bestimmte.
1777 brach Frau Mozart gemeinsam mit ihrem Sohn zu ihrer letzten großen Reise auf. Diese Fahrt nach Paris sollte für Mozart eine Enttäuschung werden. Seine Stellensuche, von man sich so viel erhofft hatte, blieb vergeblich – und, schlimmer noch, er verlor seine Mutter, die bereits betagt war und erstmals am Reisen litt: Anna Maria Mozart starb 57-jährig nach schwerer Krankheit in Paris, einsam, erschöpft und fern von daheim.
Monika Kammerlander (St. Gilgen)
Margarethe Danzis künstlerischer Werdegang. Vom Kinderstar an der Seite der Mutter zur Operndiva
Dass Resonanz – ob kritisch oder wohlwollend, künstlerisches Schaffen anregt, ist an der kurzen aber steilen Karriere der Margarethe Danzi (1768-1800) zur Hofsängerin in München klar nachvollziehbar.
Zweifelsohne hatte das aufgeklärte soziohistorische Umfeld des pfalzbayrischen Kurfürsten Karl-Theodor die Voraussetzungen für Musikerinnen im süddeutschen Raum des ausgehenden 18. Jahrhundert wesentlich verbessert. Nirgendwo in Europa (am ehesten noch in der Wiener Musikszene) konnten so viele berühmte Musikerinnen neben ihren männlichen Kollegen reüssieren und zu internationalem Ruf gelangen wie im Mannheimer Nationaltheater und später in der Münchner Hofkapelle.
Wesentlich für eine Frauenkarriere im 18. Jahrhundert war aber wohl der direkte Einfluss weiblicher Vorbilder, wie auch im Falle von Margarethe Danzi: So behaupteten sich neben ihrer Mutter (Magdalena Marchand-Brochard) zahlreiche begabte Frauen aus den Familien Marchand und Brochard als Profimusikerinnen auf den Bühnen zwischen Mannheim und München. Margarethe Danzi erfreute sich aber auch der Förderung bekannter Musikerinnen ihres Umfeldes, wie etwa von Franziska Lebrun, der Schwester von Franz Danzi, welche die junge Margarethe Marchand unterrichtete. Als Kostzögling in der Familie Mozart war Margarethe (Die „gredl“ der Mozartbriefe) zwei Jahre lang in der Obhut von Maria Anna Mozart. Nachdem Leopold Mozart das erklärte Ziel hatte, aus Margarethe eine „gute Sängerin und vortreffliche Clavierspielerin zu bilden…“ (MB 669, Bd.III, S. 204), übernahm die damals bereits über dreißigjährige Nannerl von 1782 bis 1784 neben dem Unterricht in Gesang und Klavier auch die Mutterrolle für die junge Margarethe und wurde später ihre enge Freundin.
Anja Morgenstern (Salzburg)
Constanze Mozart – Musikerin und Mutter
Der Beitrag richtet den Fokus auf Constanze Mozart als Musikerin und Mutter. Besonders beleuchtet werden sollen dabei die zwei Jahrzehnte nach dem Tod von Wolfgang Amadé Mozart, wobei auch ihr Agieren als Witwe, die zwei Kinder Carl Thomas (geb. 1784) und Franz Xaver Wolfgang (geb. 1791) zu versorgen hatte, zu berücksichtigen ist. Zwischen Ende 1791 und 1799 trat sie deshalb sowohl als Konzertveranstalterin und vor allem auf ihrer Konzertreise durch Deutschland (1795/96) auch als Sängerin öffentlich in Erscheinung. Die folgenden Jahre sind geprägt von Bemühungen, ihren Kindern eine gute berufliche Zukunft zu ermöglichen. Neben der allgemeinen Schulbildung lag bei dem jüngeren Sohn von Anfang an das Augenmerk auch auf einer musikalischen Förderung. Dafür wurden in Wien ab 1797 renommierte Lehrer gewonnen, darunter Johann Nepomuk Hummel, Antonio Salieri und Georg Albrechtsberger. Constanze Mozarts gute Kontakte zum Offenbacher Verleger Johann Anton André, dem sie 1799 den musikalischen Nachlass von Wolfgang Amadé Mozart verkauft hatte, wurden genutzt, um ihren Sohn durch einen Musikdruck außerhalb Wiens bekannter zu machen. Der um 1800 von Constanze Mozart, die selbst auch Klavier spielte, eingerichtete musikalische Salon in Wien dürfte dem jungen Franz Xaver Wolfgang pianistische Auftrittsmöglichkeiten geboten haben. Auch die zwischenzeitliche Entscheidung ihres älteren Sohnes Carl Thomas in Mailand zu einer musikalischen Karriere unterstützte sie aktiv. Noch in den 1820er-Jahren engagierte sich Constanze Mozart, seit 1809 verheiratete Nissen, für ihre inzwischen erwachsenen Söhne. So bemühte sie sich 1826 in Salzburg, wo sie seit zwei Jahren lebte, Franz Xaver Wolfgang Mozart die Stelle als Domkapellmeister zu verschaffen.